Ein Artikel aus dem Gefiederter Freund 3-15
Bilder und Text Elisabeth Kehl,Voliere-Gesellschaft Zürich

Im letzten Jahr gelang in der Voliere am Mythenquai erstmals die Zucht des Kronentokos. Lesen Sie über den interessanten Brutverlauf dieser kaum gezüchteten afrikanischen Vo­gelart und wie Zürichs Street Parade dabei eine wichtige Rolle spielte.

Unser Kronentokopaar (Tokus albotermina­tus) bezog sein Quartier im Jahr 2010 in der Volieregesellschaft Zürich am Myhtenquai. Ich war sofort von den damals ein Jahr alten Flugkünstlern begeistert.

Zuchtabsichten

Das Paar hat sich bei uns sehr schnell einge­wöhnt und harmoniert ausgezeichnet mitein­ander. In Sichtnähe waren aber unsere zwei Dottertukane. Diese Tatsache führte schon mal am Gitter zu heftigen Auseinanderset­zungen. Also verlegten wir die Tokos in ein Gehege ohne sichtbare «Konkurrenz». Schnell zeigte sich eine Beruhigung, und das Männchen brachte seinem Weibchen die bes­ten Leckereien: Heuschrecken! – Das eisen­arme Insektenfutter, welches unbedingt bei Hornvögeln zu geben ist, und die Früchte holte sich das Tokoweibchen immer noch selbst. Immer öfter waren besonders kurz vor Regenbeginn auch die gemeinsamen «Balz­gesänge» zu hören. Der umgebaute Tukan- Nistkasten – wir hatten den Eingang nach unten verschoben und mit Korkrinde verklei­det sowie einen natürlichen Sitzast ange­bracht – wurde von beiden sehr interessiert in Augenschein genommen, aber mehr auch nicht. Was konnte ich noch tun?

Im Frühling 2014 habe ich den Nistkasten über einem kleinen Teich im Gehege neu po­sitioniert. Dabei hatte ich mir noch überlegt, ein längeres Kabel für die Nistkastenkamera zu kaufen – doch zu spät. Kaum hing der Kasten an seinem neuen Platz, fing das To­koweibchen an, die Wände des Eingangs zu bearbeiten. Paarungen beobachteten wir im­mer wieder. Also lautete meine Entschei­dung: jetzt nur nicht stören oder eingreifen. Tag für Tag bearbeitete das Kronentokoweib­chen die Korkrinde mit seinem roten Schna­bel. Wir boten Erde, Lehm, Lehmgemisch mit Sand und alles Erdenkliche an, aber nichts wurde angenommen. Irgendwann wusste ich nicht mehr, was ich noch anbieten sollte und hatte Zeitungen kleingeschnipselt. Ja, ja, ich weiss, dies ist ja kein Nistmaterial! Aber am nächsten Morgen klebten Zeitungs­schnipsel am Eingang des Nistkastens. Nur, das gefiel dem Tokomännchen überhaupt nicht (war es vielleicht die falsche Zeitung)? und es montierte alles wieder ab. Also bot ich dem Weibchen meine Hilfe an, und klebte ei­nen feinen Streifen Erdgemisch an den Ein­gang des Kastens. Dieses wiederholte ich am kommenden Morgen, und von dem Moment an konnte man die beiden nicht mehr brem­sen. Zu unserer grossen Freude sahen wir in diesen Tagen immer wieder Paarungen.

Die lange Wartezeit

Am 12.Juli 2014 war es dann soweit: Das Weibchen verliess die Höhle nicht mehr und hatte sich komplett eingemauert. Nun war das Männchen gefragt. Ich konnte bei ande­ren Vögeln selten so eine Hingabe und solch einen Arbeitseifer, wie bei unserem Kronen­tokomännchen beobachten. Es brachte unun­terbrochen nur das beste Futter oder kleine Blätter und Zweige, besserte immer wieder den Eingang aus, brachte den Abfall raus oder schaute oft neugierig und interessiert durch die so schmale Öffnung des Nistkas­tens. Aber nicht nur er musste warten, denn die Brutzeit dauert zwischen 25 bis 30 Tagen. Auch für uns, die wir nicht wussten, ob das Weibchen überhaupt auf Eiern sass, war die­se Zeit unerträglich! Nur bei unseren tägli­chen Beobachtungen und der Tatsache, dass es Futter annahm, konnten wir uns verge­wissern, dass es ihm gut ging. Hin und wie­der war auch mal der Schnabel durch den schmalen Schlitz im Nistkasten zu sehen.

Die Street Parade stellt wegen den Kronentokos ihre Musik ab

So weit, so gut. Aber jetzt nahte das bekann­te Wochenende, an dem die Raver die Stadt Zürich in Beschlag nehmen. Aus den Vorjah­ren wusste ich, dass die LKWs mit den Mega-Musikanlagen und den dazugehörenden Bäs­sen auf der Ladefläche nochmals zum Ab­schluss der Street Parade genau bei uns vor der Tür die Regler ihrer Mischpulte nach oben ziehen. Die Voliere, die 1937 zur Lan­desausstellung aus solidem Stahlbeton neu aufgebaut wurde und auf Seekreide steht, erzitterte jedes Mal extrem stark im Takt der Musik – und in diesem Jahr ist das Toko­weibchen eingemauert! Was nun?

Ich habe dem Street Parade-Komitee eine E-Mail geschrieben, in der ich die ganze Situa­tion verdeutlichte. Ich habe mitgeteilt, dass diese Vogelart zum ersten Mal bei uns brütet und ich nicht wisse, wie das eingemauerte Weibchen in der Höhle reagieren würde. Wei­ter schrieb ich, dass ferner genau am Street Parade Wochenende der von uns ausgerech­nete Schlupftermin läge.

Eine Antwort hatte ich nicht erwartet, denn die Vorbereitungen für die Raver Party liefen ja bestimmt auf Hochtouren. Aber eine Stun­de später bekam ich eine E-Mail vom SP-Ko­mitee mit einem Plakatentwurf, auf dem ein Kronentoko zu sehen war mit dem Schriftzug «Save the Kronentoko». Ebenfalls bekam ich die Info, dass alle Fahrer mit diesem Plakat ausgerüstet würden, und man sie bitten wür­de, vor der Voliere die Lautstärke zu drosseln oder gänzlich auszuschalten.

Mit dieser Reaktion hatte ich nicht gerech­net. Die Medien wurden auch Seitens des Ko­mitees informiert und kurze Zeit später stand ein Fernsehteam bei uns vor der Tür. Die Fernsehleute filmten den Nistkasten, das arbeitende Männchen und kamen am Fest-Samstag zurück, um genau zu beobach­ten ob sich auch wirklich was tun würde. An diesem Samstag war ich dann so ergriffen, denn die Fahrer der Wagen hatten wirklich den Sound komplett ausgeschaltet, schlichen leise an unserer Voliere vorbei und sangen noch ein «Happy Birthday»!

Das Kronentoko-Männchen füttert eifrig ein wechselndes Angebot

Und tatsächlich, im Nistkasten musste sich was verändert haben, denn das Tokomänn­chen hatte seine Futtergabe verändert. Es wurden keine Zophopas, keine Wachsmotten­larven, kein Insektenfutter und Früchte mehr in den Nistkasten gebracht, sondern nur noch gut verarbeitete Heuschrecken und Grillen. Und dies jeden Tag immer mehr und mehr, bis zu 60 Insekten am Tag. Die Zusam­menarbeit mit uns Dosenöffnern hatte er schnell aufgenommen. Er rief uns mit dem Blick in die leere Schale und forderte uns so auf, Nachschub zu bringen.

Wir hatten die Insekten immer mit Korvimin bestäubt und gaben auch Babymäuse. An­fangs zwei Tage alte, später vier Tage alte, bis zu 16 Stück am Tag mit dazu. Wenn die Heuschrecken und Mäuse im Schnabel nicht gut genug «plattgedrückt» wurden, hat das Weibchen sie ihm sofort wieder rausgegeben und er hat sie nochmals bearbeitet, bis sie zufrieden war. Die Kommunikation der bei­den war so faszinierend zu beobachten – ich hätte stundenlang einfach nur zuschauen können. Laut der leider sehr spärlich gefun­denen Brutliteratur, sollte das Weibchen nach etwa drei bis vier Wochen den Nistkas­ten verlassen, um dem Männchen bei der Futtersuche zu helfen. Diese Zeit verging, aber es kam nicht raus. Nach etwa vier Wo­chen wurden die Grillen abgelehnt. Das Männchen brachte nur noch die Babymäuse und die grossen Heuschrecken. Wir wurden immer ungeduldiger und nervöser.

Das Weibchen und Jungvögel fliegen aus

Erst sechs Wochen nach dem Schlupf war es soweit. Das Weibchen kam aus dem Nistkas­ten. Für uns war es in diesem Moment das Allerwichtigste zu wissen, wie es ihm geht. Ist es gut genährt, wie sieht sein Gefieder aus? Eine komplette Mauser, wie oft be­schrieben, hatte es nicht durchgemacht. Nach mehr als zwei Monaten in der dunklen Höhle flog das Weibchen zuerst ins Aussen­gehege und sonnte sich ausgiebig. Ein lieber bekannter Vogelzüchter hatte mich drauf dass in der freien Na­tur beobachtet wurde, dass sich die Kleinen sofort wieder einmauern würden. Und tat­sächlich, am nächsten Morgen war das Loch bis auf einen kleinen Spalt wieder verschlos­sen. Zum Glück konnten wir ein Foto durch den geöffneten Eingang machen und stellten mit riesiger Freude fest, dass drei  gut genährt aber in unterschiedlichem Alter im absolut sauberen Nistkasten sassen. Noch lange zwei Wochen mussten wir warten, bis der erste Jungvogel den Nistkasten verliess. In dieser Zeit hatte das Paar alle Schnäbel voll zu tun. Jedoch fiel uns auf, dass das Weibchen die Hauptarbeit gerne dem Männ­chen überliess. An einem Donnerstagmor­gen, acht Wochen nach dem Schlupf, sass ein Jungvogel draussen auf einem Ast. Was für eine Freude! Wohlgenährt, voll befiedert und sehr neugierig blickte er auf die Welt ausser­halb des Nistkastens. Einen Tag später folg­te der zweite. Zu unserem grossen Erstaunen war das Fliegen für die Kleinen kein grosses Problem, nur die Landungen auf den unter­schiedlich dicken und beweglichen Ästen mussten noch geübt werden. Für uns Zu­schauer ein reines Vergnügen. Ein-, zwei Tage hatten die Eltern Alarm geschlagen, wenn wir zu nahe kamen oder uns zu lange im Gehege aufhielten. Wir waren natürlich besorgt um den Dritten im Bunde, doch konnten wir sehen, dass die zwei, die ausge­flogen waren, gefüttert wurden. Auch der Jüngste im Nistkasten wurde mit Nahrung versorgt. Er hatte sich, nachdem die zwei Ge­schwister die Bruthöhle verlassen hatten, wieder eingemauert.

Schöner Zuchterfolg

Auch die Raver hatten zwischenzeitlich die Stadt natürlich wieder verlassen. Eine ganze Woche hatte sich der letzte Jungvogel Zeit gelassen, um den Nistkasten zu verlassen. Er hatte immer wieder sehr neugierig seinen Kopf herausgestreckt aber auch ganz schnell wieder zurückgezogen, bis das Männchen die Geduld verlor und den Eingang öffnete.

Die Jungen wurden gefüttert, auf sie aufge­passt und wenn etwas nicht in Ordnung war, wurde sofort Alarm geschlagen und sie durf­ten nicht mehr ins Aussengehege. Erst nach vier Monaten haben sie nicht mehr den Vor­rang am Futtertopf, nun müssen sie schnell genug sein und es kommt schon vor, dass der eine dem andern Jungvogel die Maus streitig macht obwohl, und das ist die Hauptsache, es genug für alle fünf hat!

 

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