Bericht und Bilder ©: Elisabeth Kehl, Voliere am Mythenquai, Zürich
Ein Artikel aus Gefiederter Freund Ausgabe 8/2016

Handaufzucht eines Rotkopftrogons
(Harpactes erythrocephalus)

Trogone werden nur noch ganz selten unter Menschenobhut gehalten. Zuchterfolge sind weltweit ausserordentlich rar. Elisabeth Kehl von der Voliere am Mythenquai in Zürich ist sogar die Handaufzucht gelungen. Sie beschreibt den Ablauf detailliert und dokumentiert somit ein ganz seltenes Ereignis.

Junger Rotkopftrogon, 4 Tage alt

Junger Rotkopftrogon, 4 Tage alt

Als ich die Glanz- und Balistare aus einer der Gemeinschaftsvolieren umplatzierte, interessierte sich unsere Rotkopftrogonmännchen sehr für einen der Nistkästen. Dieser hing über einem Pflanzentrog, etwa 2,5 Meter über dem Boden im Innengehege. Unsere Aufregung war riesig, und wir beeilten uns, eine Mini-Kamera darin zu montieren, damit wir auf dem Monitor beobachten konnten, ob sich im Kasten auch was tut. Trogone sind Höhlenbrüter, und mit dem Schnabel und den Füssen wird in einem morschen Baum eine Höhle gegraben. Aber nur so tief, dass sie rausschauen können, um somit die Umgebung unter Kontrolle zu haben. Trogone legen zwei bis vier Eier. Diese werden von beiden Altvögeln ungefähr 19 Tage bebrütet.

Nahrung
Eine Paarung haben wir nie beobachten können, doch das Weibchen verschwand immer öfters in der Höhle. Es hat das Nistmaterial umgebettet und sass manchmal einfach eine Stunde im Kasten. Für uns sah dies nach einem Probeliegen aus. Die Nahrung der Rotkopftrogone besteht aus Insekten, Wirbellosen, Beeren und Früchten. Bei uns in der Voliere bekamen sie neben dem eisenarmen Insektenfutter, Früchten und Beeren auch Heuschrecken oder Grillen. Doch wegen der ruhigen, oft trägen Art der Trogone, erwischten viele andere Mitbewohner der Gemeinschaftvoliere die Heuschrecken, und somit mussten wir die Anzahl dieser Insekten drastisch erhöhen,

Elisabeth Kehl zieht einen jungen Rotkopftrogon von Hand auf.

Elisabeth Kehl zieht einen jungen Rotkopftrogon von Hand auf.

Das Weibchen kam immer seltener aus dem Nistkasten, und auf dem Bildschirm konnten wir beobachten, dass es in den frühen Morgenstunden zu einem Abtausch der Altvögel kam. Das Weibchen bebrütete die Eier nachts, das Männchen tagsüber. Genau bei diesem Abtausch sahen wir auf dem Bildschirm zwei gräulich weisse Eier. Aufregung pur! Nun blieb nicht viel Zeit, um alle benötigten Informationen zu sammeln, damit wir den Rotkopftrogonen alles recht machen konnten. Wir schlichen nur noch ins Gehege, um die nötigsten Arbeiten zu verrichten. Jetzt auf keinen Fall zum Nistkasten hoch schauen!

Trogon-Haltung kaum dokumentiert
Aber leider waren nirgends Informationen aufzutreiben. Der ehemalige Präsident der Voliere Gesellschaft Zürich, Herbert Haefelin, sammelte aus allen möglichen Fachzeitschriften Berichte und legte sie sorgsam ab. Wo sind diese Ordner? Als Vogelliebhaber hatte er alles, was für uns wichtig war, in der Voliere gelassen, und ich fand tatsächlich einen einzigen Bericht über die Aufzucht von Trogonen von Dr. Dieter Rinke und Bernd Marcordes aus dem Vogelpark Walsrode. Diese wenigen Informationen sind auch für mich der Grund, meine Erfahrungen und Daten weiterzugeben, damit jeder kleine Trogon, bei uns leider nur noch ganz selten gehalten, eine Chance bekommt!

Rettung in letzter Minute
Meine Befürchtungen, dass alles nicht ohne unser Eingreifen gut ginge, nahmen zu. Der Rotkopftrogon bevorzugt in seinem Verbreitungsgebiet Südostasien feuchte Wälder in Höhen zwischen 300 und 2500 Meter über dem Meeresspiegel.

Junger Rotkopftrogon, 7 Tage alt.

Junger Rotkopftrogon, 7 Tage alt.

Ich konnte unser Männchen beobachten, wie es zum Teich runterflog, seine Brust ins Wasser eintauchte und diese dann ans Einflugloch des Nistkastens drückte. Das war für einen Trogon schon Verzweiflung. Die Luftfeuchtigkeit war zu gering! Wir konnten in der Anlage diesbezüglich aber leider nichts verändern, da es sich um eine Gemeinschaftsvoliere handelte und alle Vögel von der Innen- in eine Aussenvoliere fliegen konnten.

So nahm alles seinen Lauf. Am 7. Juli 2009 war es so weit, ein Junges schlüpfte. Das zweite Ei warf das Weibchen raus. Es war nicht befruchtet. Aber alles schien in Ordnung. Da ich neben meinem Dienst auch an jedem freien Tag in der Voliere war, um ja nichts zu verpassen, entschied ich mich jedoch am vierten Tag nachmittags nach Hause zu fahren. Doch kaum dort angekommen, rief mich verzweifelt meine Tierpflegerin an. Auf dem Monitor sei kein Küken mehr zu sehen! Sie rannte schnell ins Gehege und fand das Kleine schon kalt aber noch leicht atmend im Blumentrog. Also, mit tausend Gedanken im Kopf wieder ins Auto, um das Kleine zu holen. Allerdings war ich zu Hause nicht mit einem Brutapparat ausgerüstet und auf die Schnelle war nichts aufzutreiben.

Junger Rotkopftrogon, 12 Tage alt.

Junger Rotkopftrogon, 12 Tage alt.

Da musste mein Badezimmer herhalten! Ich konnte die hohe Luftfeuchtigkeit nur mit Dampf (und es war viel Dampf, 80 % Luftfeuchtigkeit und mehr) mit laufendem, heissem Wasser herstellen und halten. Na, meine Familie hatte Freude. Und meine drei Katzen erst! Was benötigte ich alles? Babymäuse im Alter von einem bis zwei Tagen. Die Haut älterer Mäuse ist für die Jungvögel in diesem Stadium unverdaulich. Weiter benötigte ich Lactobakterien, Heimchen und Korvimin (Mineral- und Vitaminpulver). Zum Glück hatte ich diese Angaben aus dem Bericht von Dr. Rinke und Bernd Marcordes.

Fütterung des jungen Rotkopftrogons
Nun hiess es, alle 90 Minuten das Junge füttern. Stückchenweise reichte ich bis 22.00 Uhr Babymäuse ohne Kopf. Und um 4.00 Uhr fing der Tag wieder an. Zwischendurch musste ich natürlich die Temperatur, die ich mit einer Bettflasche hielt, und meine «Dampfanlage» kontrollieren. Man sollte die Luftfeuchtigkeit auf 50 bis 65 % runterfahren, wenn sich die ersten Kiele öffnen.

Junger Rotkopftrogon, 20 Tage alt.

Junger Rotkopftrogon, 20 Tage alt.

Das Kleine hatte Appetit! Am Anfang fütterte ich ein Stückchen Maus. Am fünften Tag gab es schon eine ganze Maus pro Mahlzeit! Leider war ich anfangs viel zu aufgeregt, um das Junge auf die Waage zu legen, aber ab dem achten Tag war ich sorgfältiger. Da wog es bereits 32 Gramm. Die Intervalle der Fütterungen wurden auch nach Bedarf auf zwei bis drei Stunden erhöht. In der Nacht jedoch fütterte ich seltener. Somit wurden die Nächte für mich länger! Ab diesem Zeitpunkt fing ich auch an, kleine Stückchen Kalbsherz, Heimchen und ein paar Früchte zu verfüttern.

Auf meinen Zetteln war das dann so notiert: Tag 8:
– 6.30 Uhr: 1 Maus mit Lacto, 2 Stück Herz, 2 mal Früchte, neues Wasser in Bettflasche und Wanne
– 8.30 Uhr: 1.5 Mäuse, 4 Heimchen, 1 mal Früchte und Lacto, Augen immer weiter auf
– 10.30 Uhr: 1 Maus, 3 Stück Herz, 1 mal Früchte, 3 Grillen, fit und gesperrt wie verrückt
– 12 Uhr: 1.5 Maus, 1 Stück Herz, 3 Grillen, 1 mal Früchte, will immer öfters im Stehen fressen, streckt seine Flügelchen
– 14.00 Uhr: 1 Maus, 1 Stück Herz, 3 Grillen, 1 mal Früchte mit Lacto….usw. bis 20.00 Uhr, 32 gramm, Temperatur 26,2 Grad Luftfeuchtigkeit 88%.

Junger Rotkopftrogon, 30 Tage alt.

Junger Rotkopftrogon, 30 Tage alt.

Am Tag 13 wog das Kleine schon 52 Gramm. Die Luftfeuchtigkeit hatte ich bereits runtergeschraubt, aber das Junge piepste immer weniger und wurde auch immer schneller müde. Am Tag 14 war es extrem apathisch, und man hörte bei seiner Atmung ein grässliches Knacken! Ich befürchtete das Allerschlimmste! Ich nahm das Telefon in die Hand und wollte Bernd Marcordes erreichen! Er war unterdessen Kurator im Kölner Zoo, und ich rechnete nicht damit, dass er für mich, Elisabeth aus der Voliere Zürich, Zeit hatte. Aber falsch gedacht. Und somit möchte ich mich nochmals herzlich bei ihm bedanken. Er rief mich sofort zurück und teilte mir alle seine Erfahrungen offen mit.

Pilzbehandlung
Jetzt gab es nur zwei Möglichkeiten, ebenfalls abgesprochen mit meiner Tierärztin: Zusehen wie das Kleine stirbt, oder ein Experiment mit einem Pilzmittel (die sind ja sehr stark) und gleichzeitiger Antibiotika-Gabe. Ein Wagnis! Die erste Möglichkeit kam für mich nicht in Frage, und so startete ich am 14. Tag mit diesen beiden Mitteln für die nächsten 14 Tage. Morgens Antibiotika, nachmittags verabreichte ich das Pilzmittel Nizeral. Von beiden Medikamenten reichte ich jeweils nur ganz wenig. Leider verlor der Jungvogel auch noch an Gewicht. Doch ab dem 16. Tag, mit nur noch 51 Gramm auf der Waage, ging es wieder aufwärts, und der Hunger wurde wieder riesig. Die Lebensgeister kehrten zurück! Das Kleine fauchte. Das waren neue Geräusche, über die es selber erstaunt war. Der Jungvogel wollte auch nicht mehr in seinem Körbchen schlafen, sondern auf einem Ast. Da Trogone, im Gegensatz zu Singvögeln, im Nest nicht rufen, da sie sich so verraten würden, fangen sie an zu «fauchen». Aber erst nach einem Anstupser. Da hat sich meine Kleine aber Zeit gelassen, um dieses zu lernen! Über die Brutbiologie, sprich Inkubations- und Nestlingszeit der asiatischen Trogone, gibt es, ausser der Information, dass sie zwei bis vier Eier legen, keine Angaben. Beobachtungen an aktiven Nestern fehlen komplett. Aufgrund des Verhaltens meiner Handaufzucht kann ich annehmen, dass Junge relativ früh das Nest verlassen, und ausserhalb der Bruthöhle versorgt werden.

Das Knacken beim Atmen wurde von Tag zu Tag weniger. Ich war unvorstellbar glücklich. Die Therapie hatte angeschlagen!

Das Junge wird langsam flügge
Am Tage 19 gab es den letzten, grossen Rückschlag. Das Kleine verweigerte sein Futter, und so musste ich es zwangsernähren. Aber von diesem Zeitpunkt an wurde alles rundum gut. Der Jungvogel verschmähte einige Früchte, startete Flugversuche, setzte sich immer später zur Ruhe und motzte, wenn man ihn nicht zu seiner Zeit weckte! Genau am 30. Lebenstag versuchte das Junge erstmals selber Nahrung aufzunehmen. Aber hallo, wenns gereicht wird, wieso sich selber anstrengen? Fliegen ist viel wichtiger! Zuerst eine Zimmerlänge, dann drei Runden. Neue Landeplätze wurden angeflogen, auch meine Beine. Die Landungen waren zwar noch nicht optimal, aber hinter der Tür, denn die Neugier wurde immer grösser, könnte auch noch mehr Platz sein. Meine Katzen fanden das Ausgesperrtsein nicht mehr wirklich prickelnd!

Junger Rotkopftrogon, 60 Tage alt.

Junger Rotkopftrogon, 60 Tage alt.

Am 33. Tag wog der Jungvogel schon 73 Gramm. Der Drang zu fliegen war gross. Leider wollte es aber nicht selber fressen! Schon früh am Morgens sass das Junge vor der «Käfigtüre» (da musste es jetzt zu seinem Schutz übernachten), und schaute mich strafend an.

Zehn Tage später wog es erst 77 Gramm. Das hing damit zusammen, dass ich immer weniger zugefüttert hatte. Ich hatte das Junge mal sechs Stunden mit seinem Futter alleine gelassen. Unvorstellbar, wie Madame beleidigt war! Sie hatte natürlich null gefressen und bettelte mich an, als hätte sie noch nie irgendein Futter von mir bekommen. Erst am 60.Tag hatte sie das erste Mal ihren Futterteller von alleine angeflogen und ein paar Bisse genommen. Sie wurde langsam erwachsen. Auch die Kiele am Kopf waren schon beinahe alle auf.

Junger, von Hand aufgezogener, Rotkopftrogon, ca. 86 Tage alt.

Junger, von Hand aufgezogener, Rotkopftrogon, ca. 86 Tage alt.

Selbständigkeit erreicht
Das Männchen hat einen, wie der Name schon sagt, roten Kopf mit einem feinen, weissen Band auf der Brust. Beim Weibchen ist der Kopf braun.
Das erste Mal ausgiebig gebadet hatte das junge Weibchen erst am 73. Tag, und langsam wurde es für mich Zeit, Abschied zu nehmen. Es war unterdessen ein selbständiges, junges Rotkopftrogon-Weibchen geworden. Eine Woche später sass es vergnügt in der Voliere am Mythenquai, in der es auch seine erste lebendige Heuschrecke erbeutete, und neugierig die neue Umgebung mit deren verschiedenen Mitbewohnern untersuchte.

Zur Autorin
Elisabeth Kehl leitet die Voliere am Mythenquai in Zürich.
Unter www.voliere.ch finden Sie mehr Informationen.
Die Voliere ist ein ideales Fenster der Vogelhaltung, da sie exotische Vögel in vorbildlichen Volieren pflegt und züchtet. Zudem fungiert die Voliere auch als Pflegestation. Jedes Jahr werden zahlreiche verletzte und junge Vögel, die von Passanten oder der Stadtpolizei abgeliefert werden, aufgezogen und wieder in die Natur integriert.
Die Voliere am Mythenquai ist dankbar für jede Spende. Durch eine Mitgliedschaft kann sie effektiv werden.