Text und Foto ©: Nicolai Becker
Ein Artikel aus ProTier Ausgabe 3/2016

Wenn man von Jagd auf Zugvögel hört, denkt man meistens gleich an Italien und Malta. Was erst vor einigen Jahren ans Tageslicht kam, ist das enorme Herausfangen von Zugvögeln in Ägypten. Was hier jedes Jahr abgeht, ist von beispiellosem Ausmass.
In Ägypten stehen an der ganzen Meeresküste über 700 km lange Netze, und das gleich in mehreren Reihen. Zugvögel, die über das Mittelmeer fliegen und dann landen wollen, verfangen sich zu Tausenden in den Netzen. Aber nicht genug damit, hinter den Netzen werden die Sträucher mit Netzen überspannt, und Vögel, die die ersten Netze entdeckt haben und darübergeflogen sind, landen dann oft in den Netzen auf den Sträuchern.
Schätzungsweise geht so die beträchtliche Menge von 12 Millionen Zugvögeln jährlich in die Netze der Vogelfänger. Das Ganze ist auch ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftszweig, die Einnahmen, die so erwirtschaftet werden, belaufen sich auf um die 40 Millionen Euro.
Die Vögel werden aus den Netzen eingesammelt. Noch im Netz hängend wird ihnen sofort ein Teil der Flügelfedern ausgerissen, damit sie beim Herauslösen und beim anschliessenden Transport nicht wegfliegen können, falls sich eine Chance bieten würde. Für die Familien, welche die Vögel fangen, ist es eine wichtige Einnahmequelle, denn nur wenige Tiere landen im eigenen Kochtopf, die meisten werden an Händler oder auf Märkten verkauft.

Delikatesse für Reiche

Neuntöter

Neuntöter

Viele werden als Delikatesse an die reichen Golfstaaten verkauft, wo die Preise höher sind, wodurch die Einnahmen deutlich steigen.
Besonders betroffen sind Vögel, die typische Ostzieher sind, wie zum Beispiel der Neuntöter (Bild links) und die Dorngrasmücke, von denen ganze Popula­tionen diese Route nach Afrika nehmen. Das Ausmass des Einfangens stellt für ihre Bestände inzwischen eine ernste Bedrohung dar. Auch die neulich veröffentlichten Zahlen zum Wachtelkönig sind alarmierend. So werden jährlich über 100’000 Exemplare dieser Art hier gefangen und getötet.
Diese Arten leiden schon gewaltig wegen des Lebensraumverlustes. So war der Wachtelkönig früher auch in der Schweiz ein häufiger Brutvogel. Die moderne Landwirtschaft und der Lebensraumverlust haben dazu geführt, dass die Art hier in der Schweiz total eingebrochen ist, auch im übrigen Europa sieht es nicht viel besser aus für den Wachtelkönig. Nicht auszudenken, was das nun so flächendeckende Herausfangen auf dem Zug für diese Art bedeutet.
Auch nach ägyptischem Recht stehen etwa drei Viertel der gefangenen Arten unter Schutz, doch scheint dies in dem politisch instabilen Land niemanden gross zu interessieren. Wenn man aus den Medien von den Problemen dieses Landes hört, ist das auch nicht überraschend.
Das alleinige Verbieten dieses Vogelmordes wird nicht viel bringen. Es braucht die Politik, die hier eingreift und mithilft, zum Beispiel durch eine strenge Kontrolle des internationalen Handels, und vor allem braucht es für die Familien vor Ort, die ihr Geld mit dem Vogelmord verdienen, alternative Einnahmequellen, da es sich hier um eine arme Bevölkerung handelt, die auf diese Gelder ange­wiesen ist. Der NABU ist an der Sache dran, doch er braucht Unterstützung dabei.

Mehr Informationen über den Vogelmord in Ägypten finden Sie online unter: www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/zugvogelschutz/aegypten

Enorm wichtig ist es aber auch, dass wir von unserer Seite her hier in der Schweiz und im übrigen Europa Sorge tragen zu der einheimischen Vogelwelt und die Arten und ihre Lebensräume fördern und Gebiete renaturieren. Es bleibt zu hoffen, dass die Naturschutzverbände und die Politik hier vorwärtskommen. Es bringt aber auch etwas, wenn wir Private uns beteiligen und solche Projekte mitfinanzieren und bei der Aufklärung mithelfen. In ärmeren Ländern hat Naturschutz nur eine Chance, wenn die betroffenen Familien Alternativen bekommen.